Faktencheck Kurabgabensatzung

Anlässlich der anstehenden Abstimmung der Gemeindevertretung über die von BM Fr. Marisken beantragten Änderungen der Kurabgabensatzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf, stellen wir fest:

Die aktuelle, seit 26.2.19 existierende Kurabgabensatzung der Gemeinde und ihre gelebte Praxis bittet die Verwandten 1. Grades der Einheimischen nur dann zur Kasse, wenn sie die Kureinrichtungen der Gemeinde nutzen (Einzelprüfung).

Das OVG Greifwald hat diese Praxis in seinem Urteil vom Oktober 2019 vollumfänglich gutgeheißen.

ULV-Kommentar:

Warum also dann die Kurabgabensatzung in diesem Punkt ändern? Warum so viel Gemeindegeld für eine Anwaltskanzlei ausgeben, wenn die Gemeinde bereits eine in diesem Punkt rechtskonforme Kurabgabensatzung hat?

Wir erinnern uns, Fr. Marisken hat bei vielen Einwohnern die Hoffnung geweckt, die Verwandten 1. Grades von der Kurabgabepflicht befreien zu können. Sie braucht also eine Kurabgabensatzung, die ihre Handschrift tragen muss.

Ihre vorgeschlagene Änderung ist aber

  1. überflüssig und teuer
  2. rechtlich problematisch, weil ihr Änderungsvorschlag den Prinzipien des KAG hinsichtlich generell erlaubter Befreiungen und dem Urteil des OVG hinsichtlich Einzelfallprüfung nicht folgt (s. letzten ULV-Beitrag)

So stiftet man keinen politischen Frieden in dieser Gemeinde!


Familienangehörige in den Kaiserbädern jetzt befreit von der Kurtaxe?
Ist die neue Regelung rechtssicher?

ULV-Kommentar vom 22.02.2020

Eine explizite Befreiung von Familienangehörigen 1. Grades aus sozialen Gründen ist nach dem neuesten Urteil des OVG vom 21.10.2019 ausgeschlossen.

In der Urteilbegründung des OVG-Urteils vom 21.10.2019 findet man aber zum Thema Familienangehörige folgenden interessanten Hinweis:

Der Senat verkennt allerdings nicht, dass die unwirksame Befreiungsvorschrift (für Familienangehörige 1. Grades) Ausdruck eines konkreten Regelungsbedürfnisses der Gemeinde ist.

Er sieht sich deshalb zu dem Hinweis veranlasst, dass nicht jeder Besuch von Familienmitgliedern im Erhebungsgebiet die Kurabgabepflicht auslöst. Zwar schränkt der Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 1 KAG MV das Tatbestandmerkmal des Aufhaltens nicht ausdrücklich dahingehend ein, dass der Aufenthalt zu Kur- oder Erholungszwecken erfolgen muss (wie zum Beispiel in Art. 7 Abs.2 Satz 1 BayKAG).

Nach dem Gesetzeswortlaut ist ein Aufenthalt mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kureinrichtungen ausreichend. Aus dem Gesetzeszusammenhang (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 und § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ergibt sich jedoch, dass bei Bestimmung dessen, was „Aufhalten“ im Sinne der Vorschrift ist, auf ein finales Element („zu Erholungszwecken“) nicht völlig verzichtet werden kann, auch wenn es sich dabei nicht um den einzigen Aufenthaltszweck handeln muss (vgl. Holz in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz M-V, Stand März 2019, § 11 Ziff.2.2.2).

Ob sich ein Aufenthalt bei Verwandten in einem Kur- oder Erholungsort nochausschließlich als Familienbesuch oder auch schon als (kurabgabepflichtiger) Aufenthalt zu Erholungszwecken darstellt, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind unter anderem Anlass und Dauer des Aufenthalts sowie die tatsächlicheInanspruchnahme von gemeindlichen Kureinrichtungen zu berücksichtigen.

Die von der BM, Fr. Marisken, beauftragte Leipziger Kanzlei Röber & Hess zieht aus dem obigen Text die Schlussfolgerung, dass folgende Regelung als Bestandteil der Kurabgabensatzung zulässig sei:

Ein Aufenthalt nach §2 Abs. 1 Satz 1 liegt nicht vor bei Eltern, Kinder, Enkelkinder oder Geschwister von Personen, die im Erhebungsgebiet ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, wenn sie ohne Vergütung in deren häusliche Gemeinschaft aufgenommen sind, soweit der Aufenthalt ausschließlich als Familienbesuch stattfindet.

Sollten die Familienangehörigen jedoch die Kureinrichtungen der Seebäder nutzen, wären sie kurabgabepflichtig.

Auf Antrag des Kaiserbäderbündnisses wurde im vorgeschlagenen Änderungstext die Bedingung gestrichen, dass die Befreiung nur Familienangehörigen zusteht, die in der Wohnung Ihrer Angehörigen kostenlos unterkommen. Damit ist eine Gleichbehandlung aller Familienangehörigen gewährleistet.

Nach dieser Änderung wurde der so geänderten Satzung von beiden Ausschüssen (FA & EbA) mehrheitlich zugestimmt.

Leider hat man vergessen, die Gemeindevertreter und Ausschussmitglieder darüber zu informieren, dass diese Regelung weiterhin ein rechtliches Risiko birgt.

Hier wird nämlich eine im Urteil zugelassenen Einzelfallprüfung von Familienangehörigen zu Anlass und Dauer des Aufenthalts und tatsächlich in Anspruch genommenen gemeindlichen Kureinrichtungen als allgemeingültige Regelung in die Kurabgabensatzung geschrieben.

Das ist juristisch anfechtbar. Sollte jemand gegen die Kurabgabensatzung klagen, ist davon auszugehen, dass diese neue Satzung wahrscheinlich keinen Bestand haben wird.

Es wäre klüger gewesen, keine derartige Regelung in die gemeindliche Kurabgabensatzung zu schreiben, dann hätte die Gemeinde generell davon ausgehen können, dass Familienangehörige, die keine Kureinrichtungen benutzen, nur aus familiären Gründen und nicht zu Erholungszwecken zu Besuch sind.